„Emotionen sind die besten Werkzeuge, um mit Komplexität umzugehen“

Imran Rehman und eine Kollegin arbeiten an einer App, mit der Unternehmen live den emotionalen Zustand ihrer Mitarbeiter messen. Warum ist das Wissen um die Gefühlslage der Kollegen ein Skill der Zukunft?

Imran Rehman:
Imran Rehman: „Heutige Management-Logiken greifen nur noch zum Teil.“ (Foto: Imran Rehman)

Imran Rehman (47) und Stefanie Kuhnhen-Stein (40) arbeiten an einem emotionalen Produkt. Genauer: an einem Tool, das Gefühle misst; eine App, mit der Unternehmen die Stimmungslage ihrer Mitarbeiter erfassen. Pulseapp heißt sie – und will die mühsame Langsamkeit eines klassischen Fragebogen ersetzen durch intuitive, interaktive, visuell ansprechende Abfragen via Smartphone. „Es geht um rasche Transparenz“, sagt Rehman.

Beispiel Umfrage Konferenz
Gefühlsumfrage auf der Konferenz „Year of the monkey“: Kommen Sie schnell mit Leuten in Kontakt? (Foto: Pulseapp)

Pulseapp will innerhalb von 90 Sekunden nahezu live den innerbetrieblichen, seelischen Zustand ermitteln – zu Aspekten wie Wertschätzung, Freiheit, Empathie oder Teamgefühl. „In Zukunft sollte jedes Unternehmen neben dem Key Performance Indicator (KPI) auch die Key Emotional Indicator (KEI) messen“, sagt Mitgründerin Stefanie Kuhnhen-Stein (40). „Nur so stellt ein Unternehmen seine Innovationsfähigkeit sicher.“ Die klassische Manager-Messgröße erhält zusätzlich ein Herz.

Und einen übergeordneten Sinn:  Der KEI misst den Grad an Kooperation innerhalb eines Unternehmens. Experten wissen: Ein gesundes Miteinander ist der Motor für den Zukunftsskill schlechthin – das lebenslange Lernen. “Effektives Lernen funktioniert nur im Austausch mit anderen”, schreibt der Blog “Salon für Kommunikation” über das Prinzip des Key Emotional Indicators. Aktuell befindet sich die Pulseapp im Prototypenstadium, eine erste nutzbare Version soll Ende des Sommers 2017 erscheinen.

Imran, wie ist Deine aktuelle Gefühlslage? Ich fühle mich v.u.k.a., das ist eine Abkürzung aus der Managementsprache zur Beschreibung der aktuellen Welt: volatil, unsicher, komplex und voller Ambiguitäten, Mehrdeutigkeiten.

Und wenn Du Deine Gefühslage in eine Zahl zwischen eins und zehn übersetzen müsstest, wobei zehn für „blendend“ steht? Acht bis neun. Ich bin immer von Leidenschaft und Liebe getrieben.

Warum ist die Gefühlslage eines Unternehmens heute wichtig und morgen essentiell? Heutige Management-Logiken greifen in einer Welt voller v.u.k.a. nur noch zum Teil. Denn ihre Methoden funktionieren für komplizierte Sachverhalte, aber nicht mehr für komplexe …

… vereinfacht bedeutet „komplex“: ein undurchschaubares „kompliziert“ … Ja. Eine Uhr besitzt einen internen Mechanismus. Und Du bekommst als Ergebnis stets: die Zeit. Sie ist ein kompliziertes Werkzeug – allerdings stets ohne Überraschungen. Etwas Komplexes bietet überraschende Ergebnisse. Wie zukünftige Software, die sich selbst Neues beibringt. Und um mit Systemen umzugehen, die unvorhersehbare Folgen liefern, braucht man Emotionen.

Ein Unternehmen emotional zu messen ist also die Vorbereitung auf eine zunehmend komplexe Welt? Genau. Wir wissen: Entscheidungen werden zuerst auf der emotionalen Ebene getroffen – nach wenigen Zehntelsekunden. Emotionen sind die besten Werkzeuge, um die Macht der Komplexität zu beherrschen. Also ist es in einer zunehmend komplexen Welt essentiell zu wissen, wie es um die Gefühlslage eines Unternehmen steht. Wir wissen: Je besser eine Organisationen seine Emotionen beherrscht, umso kollaborativer und lernender ist sie – eine Schlüsselfähigkeiten in der v.u.k.a-Welt.

Stefanie Kuehnen:
Mitgründerin Stefanie Kuhnhen-Stein: „In Zukunft sollte jedes Unternehmen neben den KPIs auch die KEIs messen.“ (Foto: Stefanie Kuhnhen-Stein)

Wie messt ihr mit der Pulseapp? Wir möchten mit unserem Ansatz Bewusstes und Unbewusstes erkunden. Bei der Pulseapp müssen die Leute schnell, ohne Zahlenwerte und intuitiv antworten. Sie antworten, indem sie ihren Zustand in interaktiven Grafiken festlegen – indem sie zum Beispiel einen Daumen von unten nach oben drehen. Wenn man nicht lange nachdenken kann, kommt der emotionalen Teil ins Spiel: das Bauchgefühl.

Wie funktioniert eure Arbeit mit Pulseapp? Wir fragen erstmal die Mitarbeiter des Unternehmen: Was heißt zum Beispiel „Empathie“ in eurem Kontext? In manchen Firmen gilt jemand als empathisch, der morgens reinkommt und sagt: „Guten Tag, trinken wir einen Tee?“ In anderen heißt es nur: „Wie viel willst Du heute verdienen?“ In solchen Companies geht es um Leistung – und da ist diese Frage genau die Empathie, die man braucht, um diese Leistung hinzukriegen.

Pulseapp: Schnelle, interaktive Umfragen, um das Bauchgefühl abzutasten. (Foto: Pulseapp)
Pulseapp: Schnelle, interaktive Umfragen, um via Slide-Funktion das Bauchgefühl abzutasten. (Foto: Pulseapp)

Erstmal also der arbeitskulturelle Kontext … ja, und dann produzieren wir individuelle, grafische und per Finger bedienbare Umfragen. Zum Beispiel haben wir bei der Konferenz „Year of the Monkey“ abgefragt, wie sich die Teilnehmer dort als Teil einer Community fühlen. Die Essenz der Antworten: „Eher nein”. Bei den Sprechern war der Community-Wert deutlich höher.

Und was war die Folge? Grundsätzlich können die Manager mit unserer App je nach Ziel, zum Beispiel mehr Wertschätzung im Unternehmen, einen Kreislauf schaffen: messen, reagieren, erneut messen, ob Reaktion erfolgreich war. Das ist das Schöne: Die Manager lernen dabei selbst. Und wir beraten dabei. Beispiel „Year of the Monkey“: Aus einer passiven Idee wurde eine aktive. Markus von der Lühe, Macher der “Year of the Monkey”, schob eine Idee aus seinem Hinterkopf nach vorne. Und führte als Reaktion auf unsere Messung ein Berghütten-Wochenende für 33 Teilnehmer und Speaker ein. Und die Teilnehmer liebten es. Es war voll. Zwei Mal.

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